Luppenau

             Das Krippenspiel in Lössen 2019

SAALE-ELSTER-AUEN-KURIER - Januar 2020  - Ilja Bakkal-   

Emily sah gut aus, mit den hochgesteckten Haaren. Mein Kompliment schien ihr etwas unangenehm zu sein und im Verlauf der Handlung wurde das auch verständlich.

Eine halbe Stunde vor Beginn des Gottesdienstes kenne ich weder die Rollen noch weiß ich, in welcher Fassung die fast 2020 Jahre zurückliegende Geschichte gespielt wird. Dr. Michael Gilluck verlegte noch ein Kabel für seine Orgel auf der Empore. Ein von Peter Zimmermann und Helferinnen liebevoll geschmückter Weihnachtsbaum mit elektrischen Kerzen und die echten mit Tannengrün verzierten Kerzen vor dem Altar und auf dem Taufstein verbreiteten weihnachtliche Atmosphäre. Dagegen schien der Campingtisch mit Laptop vor zwei Stühlen vergleichsweise unpassend. Sollten so Textschwierigkeiten zeitgemäß überbrückt werden? Nein, noch schlimmer! Fabian hatte, während die Menschen sich zum Krippenspiel zusammenfanden oder sich in ihren Häusern auf die Bescherung vorbereiteten, nichts Besseres zu tun, als das reale Leben ignorierend, vor dem Computer abzuhängen. Von seiner Großmutter zur Rede gestellt, entspann sich ein generationenübergreifender Disput, in dessen Verlauf sich der Enkel renitent, jedoch mit spürbar abnehmendem Widerwillen seiner Großmutter stellte. „Dann zeig mir doch mal deine Welt!“ Aber das tat er nicht, er führte sie mit seinen technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters in ihre (Glaubens)-Welt nach Bethlehem. Kaiser Augustus, dem schon vor Spielbeginn der Lorbeerkranz zerfallen war und die einzelnen Blätter in der Hand hielt -rührend und souverän dargestellt von Melina- beriet sich mit seinem Herold -Robin- über die Notwendigkeit der Durchführung einer Volkszählung mit dem Ziel einer effektiveren Besteuerung. Die ersten Nutznießer des Zensus waren die Wirte,

die dies jedoch noch nach Jahrtausenden mit einer miesen Rolle in dem Stück bezahlen müssen, woran sich wohl auch in weiteren Tausend Jahren nichts ändern wird. Lilli und Lisa waren Maria und Joseph und ließen nach der Niederkunft ihre rosa gekleidete Puppe in Krippe und Kirche zurück. Die wunderbar kostümierten Hirten Johanna und Aurora bemerkten als erste, dass etwas ungewöhnlich ist, wurden aber sogleich von den Engeln Svenja und Carolin über das historische Ereignis unterrichtet und beruhigt. Daraufhin begaben sie sich dem Stern folgend zum Stall. Die drei Weisen aus dem Morgenlande waren auf einen kleinen Oscar komprimiert worden, der uns in wenigen klaren Worten das Ereignis noch einmal zusammenfasste und erklärte - wunderbar! Sein auf Größe gestrickter Mantel wird noch für einige Jahre ausreichen, sofern ihn nicht andere Familienmitglieder zweckdienlich verwenden und so vorzeitig verschleißen. Bei den nun einmal eingeführten Engelskostümen mit Flügeln und Heiligenschein wäre das nicht zu befürchten. Wir vertrauen auf eingenähte Wachstumsreserven. Ramona Karnstedt-Brommund hatte für ihre Kinder und Jugendlichen aus Jugendclub und Feuerwehr die Textvorlage dramaturgisch angepasst und ihr Ensemble zu einer Leistung geführt, das wohl nur glückliche, zufriedene Besucher in den Heiligen Abend entließ. Das I-Tüpfelchen kam erwartungsgemäß von Paula mit dem Lied „Maria durch den Dornwald ging“. Es belohnte Frau Pastorin Antje Böhme für Predigt, Gesang und Gebet. Sie hatte sich ungeachtet ihrer Verletzung auf Krücken in die Kirche begeben, diese dann aber in der Kanzel versteckt und sich fortan nichts mehr anmerken lassen. Und wir, liebe Gläubige und Ungläubige, sollten zum nächsten Mal das eine oder andere Lied repetieren, dass nicht nur die Glocken hell und laut -Paul mit einem Gehilfen- in den Himmel schallen. Emilys Spiel erinnerte mich an meine eigene Großmutter, weniger wegen der sich ähnelnden Frisuren, sondern weil ihre Offenheit für alles Neue bei gleichzeitigem Beharren auf elementaren Wertvorstellungen und Lebensweisheiten, aber auch das Tolerieren jugendlicher Respektlosigkeit, ähnliche Dialoge generiert hätte. Ihnen allen, insbesondere den Großmüttern, wünsche ich nach besinnlichen Feiertagen ein glückliches, gesundes 2020. Freuen Sie sich an ihren Enkeln! Die führen Sie sicher gerne auf unsere Seite: www.luppenau.de

I. B.