Im vergangenen Jahr traf ich eine Stockente an der  Schwanenhavel. Sie bewachte auf geringe Distanz ihre Jungen, die unmittelbar am  Ufer, gut getarnt im hohen Gras, schliefen. Die pausenlos vorbeifahrenden Kanus  ertrug sie mit der Gelassenheit eines Zoo-Tieres. Als ich die Kamera auf sie  richtete, drehte sie ihren Kopf günstig ins Halbprofil und verharrte  bewegungslos bis ich fertig war, obwohl ich, weil mich die sanfte Strömung  davontrug, immer wieder zurückpaddeln und neu ansetzen musste. Vor längerer  Zeit fotografierte ich in einem holländischen Hafen einen Spatzen. Der pickte,  auf den Fingerspitzen sitzend, Brotkrumen aus dem Handteller eines Kindes und  ließ sich nichteimal von der auf das T-Shirt gedruckten Katze stören. Und dann,  in diesem Sommer  in Kienitz an der Oder,  der Schwan Hugo, der erst von dem Dessert abließ, als ihm die Wirtin mit der  ausgezogenen Sandalette auf den Schnabel schlug. 
	     
Mit diesen durchweg positiven Erfahrungen in der  Vogel-Fotografie begab ich mich, mit gut 8 kg einschlägiger Technik im Rucksack,   am 11. Oktober zu einer Ornithologischen  Herbstwanderung am Wallendorfer See. Der Morgen war diesig, die Vögel nicht da  oder weit weg in der Kiesgrube. Ein guter Grund, die ganze Aufmerksamkeit dem  Ornithologen zuzuwenden. Reinhard Schwemler aus Wallendorf, der auch  Naturschutzbeauftragter ist, gewährte einen Einblick in seine Arbeit, die aus interessanter  Naturbeobachtung, aber auch stundenlangem Erfassen von Flugbewegungen und  statistischer Auswertung besteht .
	    	      Mehr als 250 Vogelarten wurden an unseren Seen  nachgewiesen. Gegenwärtig dominieren die Graugänse, wenn auch gerade auf den  Feldern unterwegs. Später im Jahr kommen tausende Saat- und Blässgänse hinzu,  von denen die ersten bereits gesichtet wurden.   Die wachsende Population der Nilgänse gehört nicht hierher, ist jedoch  heimisch geworden und verteidigt „ihr“ Revier  aggressiv. Sie ist aus Parkvögeln hervorgegangen. 
Die Verbreitung fremder Arten ist ein grundsätzliches Problem.  Auch Mink und Waschbär stören das biologische Gleichgewicht und setzen hier  insbesondere den Uferschwalben zu. Ob die Jagd  auf die fremden Räuber Abhilfe schaffen wird, ist offen. 
Tausende Möwen gehören zu den Besuchern, die hier  regelmäßig   rasten. Besondere  Aufmerksamkeit erfährt aber eine einzelne, für diese Region untypische,  Spatelraubmöwe aus dem Hohen Norden Russlands. 
	    Bestimmte Uferbereiche, die Inseln und die Kiesgrube  stellen sensible Lebensräume für seltene und geschützte Vögel  dar, die an unseren Seen brüten. Das  Blaukehlchen, beispielsweise, benötigt Weidengebüsch und Schilf zum Brüten und  als Singwarte, Schlammbereiche und Sandbänke zur Nahrungssuche. Deshalb  verschlechtert ein hoher Wasserstand die Lebensbedingungen für sie und andere  Brutvögel, was zur Abwanderung führt.  
So beglückend die Beobachtung oder der Erstnachweis  seltener Arten für den Vogelfreund ist, (nicht jeder ist Ornithologe und  mancher Fotograf fragt, was er da eigentlich auf dem Monitor hat), gibt es auch  frustrierende Erfahrungen. In jüngster Vergangenheit wurden 22 Flussuferläufer  durch  Störung von ihrem Schlafplatz im  Inselbereich vertrieben, der Bruterfolg einer Beutelmeise durch Zelten  vereitelt und die Brut eines Blaukehlchens durch Feuer zerstört. Man kann davon  ausgehen, dass den Verursachern diese Folgen überhaupt nicht bewusst sind. Die  meisten Menschen reagieren einsichtig auf entsprechende Hinweise. Die meisten… 
	     
Als ich durch das Spektiv mit 60-facher Vergrößerung  schaute,  erschrak ich, saß mir doch der  mit bloßem Auge kaum erkennbare  Kiebitz  mit seiner charakteristisch geschwungenen Kopffeder nahezu auf der Nase. Nur  wenigen Menschen wird diese Qualität der Naturbeobachtung möglich und damit  bewusst, was es hier Schützenswertes und Besonderes gibt. Die seit drei Jahren  durchgeführten jahreszeitlichen Ornithologischen Wanderungen erreichen nur  wenige ohnehin Interessierte. Es sollte keine unlösbaren Interessenkonflikte  zwischen Naturschutz und Bürgern, die sich mit gebotenem Respekt in der Natur  aufhalten und erholen möchten oder ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen  nachkommen, geben. 
Eine allgemein zugängliche Information ist dringend  geboten. Wer versteht, dass die Inseln im Wallendorfer See ein wichtiger, weil  vor Mink, Waschbär und Fuchs geschützter Lebensraum sind, wird wahrscheinlich  die Bedeutung der Betonnung verstehen. Die Vögel sind an die Strände und Stege  gewöhnt. Die Wasservögel haben sich, erst unter den konkreten Bedingungen der  Nutzung durch Anwohner und Gäste, in einer vormaligen Tagebaulandschaft  angesiedelt.  Definierte Rückzugsräume  sollten wir ihnen lassen. Wer freut sich nicht über den Adler hoch am Himmel,  aber es gibt auch die Kleinen, Unscheinbaren, Seltenen…
Nachdem der Ornithologe fort war,  kamen die Graugänse. Sie flogen auf, als mir eine ungeschickte Bewegung  passierte. Schönes Foto. 
Wie oft sie sich  das gefallen lassen? Ich weiß es nicht.  
	    Ich bedanke mich bei Herrn Reinhard Schwemler für die  Mitarbeit an diesem Beitrag.
	      
	    Ilja  Bakkal