Luppenau

Hoch hinauf - ein Tag mit der Luppenauer Kinder- und Jugendfeuerwehr im Zeltlager Burgliebenau

SAALE-ELSTER-AUEN-KURIER - Juni 2015   - Ilja Bakkal-   
In einer gleichmäßigen Aufwärtsbewegung fuhr der Korb des Hubrettungsfahrzeuges der Feuerwehr Großkugel auf 32 Meter. Am Horizont zeigten sich die die Chemiestandorte Schkopau und Leuna, die Türme Merseburgs, unter uns der Wallendorfer See, Burgliebenau, die Kiesgrube, und eben das Jugendcamp mit seinen Zelten und einem Angebot für die Kinder und Jugendlichen, das sein Beispiel sucht. 32 Meter sind schon spektakulär, höher noch als der Hirschhügel. Das bei klarer Sicht und schönstem Sommerwetter. Am Badestrand die aufgeblasenen Spielgeräte, Kinder im Wasser, bewacht von der Land- wie auch der Seeseite. Die Boote der Feuer- und der Wasserwehr durchpflügten den leicht gekräuselten See.

Kann man da noch einen draufgeben, vielleicht Wasser von oben? Hierzu kooperierte der Hubretter mit dem einspeisenden Wasserwerfer aus Raßnitz. Nicht nur das Retten aus der Höhe, auch das Löschen oder Bilden einer Wasserwand wird hierdurch möglich. Das Malen eines Regenbogens ist fakultativ, nicht beliebig reproduzierbar und war wohl von unten nicht zu sehen. Dafür in: www.luppenau.de! Leider drehte der Wind, jetzt wurde die Besatzung im Korb nass, aber richtig. So fuhren wir wieder zur Erde um zu sehen, was es von dort zu berichten gab.
Kaum dem Kleinkindalter entwachsen, werden die angehenden Feuerwehrleute an den Umgang mit dem Strahlrohr gewöhnt. Dafür gibt es Kinderstrahlrohre, Handpumpen mit Strahlrohr, Wettkampfstrahlrohre für den „Löschangriff nass“. Selbst im Rentenalter laufen sie noch beim Oldiecup und richten das löschende Elixier auf Zielvorrichtungen oder gestapelte Büchsen. Das Lenken des Strahls mittels Joystick vom Heck des Hubretters, nach den Anweisungen des zweiten Kameraden per Funk, der das Geschehen direkt einsehen kann, das ist wohl die gehobene Form. Höchste Konzentration und Spannung in den Gesichtern. Bisweilen legte sich eine große Hand auf die kleinen Finger, nur für einen kurzen Moment. Dann flogen die Eimer von der Bank. Es gab Hände, die schon größere Finger hatten, es allein schafften - die Zukunft unserer Wehren, für die sich diese Anstrengungen lohnen. 


Mit Interesse verfolgten die Gruppen, was die einzelnen Stationen vorbereitet hatten. Die Regionalbereichsbeamten der Polizei demonstrierten ihr Fahrzeug, den Koffer für die Spurensicherung, es gab Handschellen, Helme, Mützen, schusssichere Westen, und ein Verkehrsquiz. Vor allem waren da zwei Polizisten, die den richtigen Draht zu ihren momentanen Schützlingen fanden, auch noch freundlich und hilfsbereit blieben, als die Minderjährigen trunken um die Verkehrskegel torkelten. Der nicht erstrebenswerte Zustand wurde durch eine Rauschbrille verursacht, die die Wirkung von Alkohol und Drogen simuliert. 
Die Sondereinsatzgruppe des DRK Merseburg Querfurt, deren Aufgabe auch die Absicherung von Veranstaltungen ist, demonstrierte die erste Hilfe und Verbände. Ich hörte besonnene Worte über das angemessene Verhalten am Unfallort.
Die DLRG durfte natürlich an diesem Tag nicht fehlen. Neben der obligatorischen Sicherung des Badegeschehens (Ob die Jungs das gekenterte Schlauchboot alleine wieder aufrichten - vermutlich nicht - also hinfahren!), konnte man sich hier über Rettungsgeräte und ihre Anwendung informieren. Drei Plastikentchen dienten dem Rettungsball am Seil als Ziel. Zusammen mit dem dazugehörigen Maskottchen Nobbi, einem überdimensionalen blauen Plüschseehund der sponsernden Firma NIVEA, stellten sie das Kindergartenprojekt der DLRG vor. Präziser, Nobbi erschien auf dem Seeweg und hatte eine Interaktion mit Neptun, über deren Wertung ich noch nachdenken muss. 
Das THW Merseburg war mit seinem Gerätekraftwagen 1 erschienen. Er ist mit dem Rüstwagen der Feuerwehr vergleichbar, hat aber keine Löschmittel. Das THW kooperiert mit der Feuerwehr. Das blaue Fahrzeug ist mit Technik vollgestopft: Hydraulikpressen für 20 t pneumatischen Hebekissen bis zu 39 t, Scheren, Spreizer, Seilwinde, Strom, Licht, Pressluftatmer, Sägen, Pumpen usw. Die häufigsten Einsatzgründe sind Hochwasser und Sturm. Zu den Aufgaben, für die es auch spezielle Fachgruppen gibt, gehört das Retten von Personen, Tieren (Kühe im Hochwasser) und Sachwerten, der Transport von Sand und Betonfertigteilen. Spezielle Radlader beseitigen Trümmer oder bewegen in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr brennendes Material. Das THW arbeitet in Höhen und Tiefen, stellt Gerüste und Arbeitsplattformen, stabilisiert einsturzgefährdete Gebäudeteile. In Anbetracht dieses Potenzials war das Anheben des eigenen Fahrzeuges ein eher bescheidenes Lehrstück, was jedoch als Frauenpower oder angewandte Physik beeindruckte. In die Jugendgruppe kann man mit 10 Jahren eintreten, ab dem 17. Lebensjahr beginnt die Ausbildung zum Helfer, die bei konzentriertem Verlauf ein halbes Jahr beansprucht. Das THW Merseburg hat 40 ehrenamtliche Aktive sowie 20 Kinder und Jugendliche.
Zum Mittagessen gab es Nudeln mit Tomatensoße, die sich wieder großer Beliebtheit erfreute, obwohl der Kurier im vergangenen Jahr die Zutaten veröffentlicht hatte. Es gibt Kinder, deren Geschmack durch Fertiggerichte und Systemgastronomie geprägt ist, wodurch sie Gutes nicht immer zu schätzen wissen. Hier schon. 
Dann kam Neptun, nach einjähriger Pause. Dieser respekteinflößende, autoritäre Herrscher hatte seine Jungfrauen und Häscher dabei, ebenso den o. g. Plüsch-Nobbi in dem Jonas aus Luppenau steckte. Neben Nobbi wirkten die Passagiere des Wasserwacht-Bootes klein und ungefährlich. Sogar ich fasste Mut, den grün bealgten Herren am Bart zu zupfen, um mehr von seinem Gesicht darzustellen. Erkannt habe ich ihn immer noch nicht. Die Fluchtaktivitäten der Täuflinge waren wenig spektakulär und vom Publikum weggerichtet. Selbst der üble Tauftrunk schien abgemildert und würde gut zu Algensalat passen. Schlussendlich stießen die Häscher (oder besser: Täuflings-Begleiter) ihren eigenen Chef ins flache Wasser, bevor er mit dem Boot auf den See hinausfuhr. 
Nach dem Verzehr der Pizza, mit Einbruch der Dämmerung, erschienen die Fire-Artists, zeigten ihre Kunst am Boden und in der Luft, schleuderten das Feuer, schluckten und spien es wieder aus. Wie im letzten Jahr animierten sie zum Mitmachen, im Bewusstsein ihrer Vollendung und Überlegenheit. Junge Feuerwehrleute schlucken kein Feuer, sie haben andere Techniken. Akrobaten sind sie auch nicht. Da braucht man schon acht verschränkte Hände um eine Unterfrau zu ersetzen und riskiert immer noch einen Halsbruch. Aber als Emily sich kerzengrade in zwei Meter Höhe aufstemmen ließ, da staunte nicht nur das Publikum.
Wir durften mehrfach staunen beim diesjährigen Jugendcamp. Auch die Freude am Bootfahren blieb ungetrübt. Vielleicht war Neptun deshalb so sanft, oder sollte es an der Creme gelegen haben? 
Es gibt mehrere Möglichkeiten sich der Feuerwehr zu nähern. Am besten, man macht selber mit. Eltern beobachten, wie ihre Kinder hier Positives erfahren. Seit Jahren berichte ich darüber und die Leser werden sicherlich auch, oder erst recht in der kritischen Auseinandersetzung, die Begeisterung spüren. So ergab sich zwangsläufig die Freundschaft mit dem Kameraden Martin Pochert, dessen Engagement maßgeblich zur öffentlichen Wahrnehmung der Feuerwehr beiträgt. Ich konnte von seiner Erfahrung, seinem fundierten Fachwissen, seiner künstlerischen Begabung profitieren. Wir haben gemeinsam auf dem Boden gelegen und er hat mich in schwindelerregende Höhe mitgenommen. Meist gelang ihm das bessere Foto und oft hat er herzhaft über meine Texte gelacht. Auch in diesem Kurier finden Sie seinen Bericht. Am 4. September 2015 ist Martin Pochert gestorben. Ich kann diesen Artikel nicht beenden, ohne meine tiefe Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen.
Ilja Bakkal