Luppenau

............Alarmstufe 4 an Elster und Saale

SAALE-ELSTER-AUEN-KURIER - Februar 2011
Autor: Ilja Bakkal

Bei der Wasserwehr in Hohenweiden
Überschreiten die Pegelstände 5.80 in  Naumburg-Rochlitz für die Saale und 5,75 in Zeitz für die Weiße Elster, wird in der Gemeinde Schkopau die Alarmstufe 4 ausgelöst. Das war am 2. Juni 2013 um 00.00 Uhr der Fall. Während bei Stufe drei, die seit dem  Vortag um 09.00 Uhr  bestand, die Deiche begangen werden, ist die Steigerung mit konkreten Hilfeleistungen der Wasserwehr gemeinsam mit den Feuerwehren und der Bevölkerung verbunden.
Das reißende Wasser der Saale überspült die Schleuse Meuschau, lässt die Schifffahrtszeichen  mit ihrer Oberkante nur noch 5 cm herausschauen. Die am Ufer  vertäuten Kähne liegen plötzlich mitten in einem Strom auf Reede. Hier bei uns vereinigt es sich mit dem der Elster, das bei Döllnitz die bis zum Rand gefüllte Flutrinne verließ, ein riesige Fläche überflutend, um mit immer dramatischeren Pegeln Halle –Neustadt und Halle zu bedrohen. Der Gimritzer Damm und die Thalstraße geben der katastrophalen Situation Namen, die im Gedächtnis haften bleiben.
Gemeinsame Hochwasser von Saale, Elster und seinerzeit auch der Luppe führten schon immer zu Jahrhunderthochwassern. Während die anfallenden Wassermassen tendenziell steigen, die immer kürzere Wiederkehr der Ereignisse den Begriff Jahrhundert ad absurdum führt, sinkt durch Hochwasserschutzmaßnahmen der zur Verfügung stehende Überflutungsraum. Der aktuell wieder geflutete Polder östlich der A9 bei Kleinliebenau und die westliche Saale-Elster-Aue sind verblieben.
Die hier wohnenden Menschen leben mit dem Wasser. Manche werden unspektakulär regelmäßig zu Inselbewohnern, wie in Kollenbey, Planena und Röpzig. Den anderen bieten Deiche Schutz, deren Sicherheit, ungeachtet des insgesamt guten Zustandes der Wasserbauanlagen, an Grenzen stoßen kann, weil sie zu niedrig, durchweicht, marode oder noch nicht fertiggestellt sind. Wenn diese Situation eintritt, wird die Wasserwehr alarmiert: Stufe 4.


„Wenn der Gimritzer Damm bricht, haben wir hier schlagartig 20 cm weniger Wasser“. Ich sitze mit Bernhard Riesner, dem Chef der Schkopauer Wasserwehr und dem Wehrleiter der FF Hohenweiden, Andreas Parthier, auf dem Mäuerchen der Mühlgrabenbrücke. Vor uns eine riesige Wasserfläche, da ganz weit, irgendwo, und ohnehin nicht mehr auszumachen, die Saale. Das was für uns eine Entlastung darstellen könnte, wäre anderenorts die Katastrophe. Hochwasser hält sich nicht an Regionen, private Grundstücksgrenzen.
Mittwoch, der 5. Juni, später Nachmittag. Ein Feuerwehrfahrzeug nach dem anderen fährt ab. Ist das Schlimmste jetzt überstanden? Das darf man nicht sagen, es kann jederzeit eine neue Welle kommen. Aber im Moment scheint es so.
Meine Gesprächspartner sehen schlecht aus,  Riesner besonders schlecht. Er hat seit der Alarmierung 4 Stunden geschlafen. 4 Dammdurchlässe mit großer Wirkung an der Saale in Hohenweiden, die Überflutung des Wohngebietes Kälbergarten und einzelner weiterer Grundstücke, 4 Durchnässungen ohne Konsequenz bei Ermlitz, drei Durchnässungen in Döllnitz, wo der Thälmannplatz 50 cm unter Wasser stand und das Abwassersystem abgeschaltet werden musste, waren jedoch nicht die einzigen Gründe, die ihn wachhielten.

Die Wasserwehr der Gemeinde Schkopau  mit 50 Kameraden untersteht direkt dem Bürgermeister, der in diesen Tagen immer wieder vor Ort  ist. Sie muss technische Hilfeleistung geben, die Zusammenarbeit mit in Spitzenzeiten 100 Kameraden aus 10 Feuerwehren und vor allem 120 Helfern auf den Deichen und in den Sandsack-Füllstationen koordinieren.

Der Sandsack ist das Symbol dieser Tage. Er wiegt 11,5 kg.  80.000 wurden angefordert dazu 806 t Sand, 56.000 gefüllt und verbaut (Das gäbe mit der Breitseite aneinandergelegt, einen einlagigen Damm von 15 cm Höhe und 12,5 km Länge.) 2.000 wurden gefüllt und weitergegeben. Das Material muss aus den FTZ´s Blösien und Halle-Neustadt herantransportiert werden. Hierzu bedarf es der Mitarbeit  regionaler Firmen mit Transportfahrzeugen.
Vielen Grundstückseigentümern ist nicht bekannt, dass sie für die Vorhaltung von Materialien zu ihrem eigenen Schutz (Sandsäcke, Folien) verantwortlich sind.
„Wenn die Sirene geht, kommen die Leute und bringen ihre Schippen mit. Sie erwarten dann aber auch, dass sie reibungslos arbeiten können.“ Riesner befürchtet, „dass das abwechselnde Fehlen von Säcken und Sand fatale Folgen hätte, und ein derart verprellter Helfer gehen und nicht mehr wiederkommen könnte.“ Dies zu verhindern, die Verantwortung für und der Respekt vor dem Helfer, sind auch Gründe  für das Schlafdefizit. Und er möchte diesen Artikel nutzen, allen für ihren Einsatz zu danken. Ich finde, wir sollten ihm danken und denen, die mit ihm mitgezogen und Verantwortung getragen haben!
Vor uns wird Wasser in den Mühlgraben gepumpt. Das ist Binnenwasser, welches normalerweise über Gräben abfließt. Bei Hochwasser  schließen sich Klappen, was  den zusätzlichen Aufwand erforderlich macht. Das Pumpen ist ein weiterer Schwerpunkt im Kampfgegen die Naturgewalt.                     2 Aggregate mit einer Kapazität von 2500 l/min und eines mit 1500 l/min in Hohenweiden und 3 mit je 1000 l/min in Rattmansdorf befördern wieder Wasser vor den Deich.
Der Ausfall der Abwasserversorgung im Dorf wird ausschließlich hinterm Deich reguliert.  Der AWZV hat 10 Dixi-Häuschen geliefert und aufgestellt.
Die Versorgung der in Röpzig verbliebenen 17 Einwohner übernimmt die Feuerwehr mit dem Boot der Wasserwehr. Zu den Aufgaben zählen neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch  die Beförderung eines Kindes zur Schule.
Am Ende des Gespräches sieht der Wasserwehrleiter verjüngt aus. Ich glaube, ihm ist bewusst geworden, was er geleistet hat.
Die Bürger, die ich dort treffe, wo die Straße unpassierbar geworden ist, sind stolz auf ihre eigenhändig aufgeschichteten Dämme. Sie haben Schlimmeres abgewendet. Aber sie drücken ihren Missmut aus, über einen Deich, der im Jahre 2004 hätte gebaut werden sollen, was sich aber wegen einzelner privater Widerstände durch neue Planfeststellungsverfahren  bis 2015 schleppen wird.       Eine Frau zeigt auf einen imaginären Punkt im weiten  kabbelnden Graublau,  wo die Bahn als Ausgleichsmaßnahme für die ICE-Trasse eine Landschaftsgestaltung mit Teich realisiert hat. Sie findet, dass das für den Moment nicht hilfreich war. Die Einwohner bringen mit ihren Worten zum Ausdruck, dass sich unsere demokratische Gesellschaft mit ihren Gesetzten hier gehörig selbst auf die Füße tritt und es zulässt, dass aus unterschiedlichsten Gründen noch dicke Knüppel dazwischen geworfen werden. Dennoch möchte ich bitten, auch in Hohenweiden auf die Rückkehr des Kaisers zu verzichten. Da gab es auch Hochwasser in der Region, aus dem nur die Dächer herausschauten.
So verstehe ich abschließend die Aussage des Wasserwehrleiters Riesner, dass niemand Schaden an seiner Gesundheit und seinem Eigentum genommen hat, wenn auch viele ihre vollgelaufenen Keller, Gärten und landwirtschaftlichen Flächen zu beklagen haben.
 Und wir wissen, dass tausende Menschen an deutschen Flüssen nicht so glimpflich davongekommen sind.

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I.Bakkal